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Forstgenetik

Die genetische Vielfalt ist Bestandteil der biologischen Vielfalt (=Biodiversität). Die biologische Vielfalt besteht aus drei Ebenen, der Vielfalt der Ökosysteme, der Vielfalt der Arten sowie der Vielfalt innerhalb der Arten (genetische Vielfalt). Die Verjüngung von Waldbeständen wirkt sich auf alle drei Ebenen der biologischen Vielfalt aus und stellt diejenige Waldentwicklungsphase dar, in der entscheidenden Einfluss auf die zukünftige Zusammensetzung und Struktur der Wälder genommen werden kann.

Rechtliche Grundlagen

Die Maßnahmen der Staatsregierung zur Erhaltung und Erhöhung der biologischen Vielfalt im Zuge der Reproduktion und Verjüngung von Waldbeständen orientieren sich einerseits  an dem internationalen Übereinkommen über die biologische Vielfalt (ÜBV), der EU-Richtlinie 1999/105/EG über den Verkehr mit forstlichem Vermehrungsgut sowie den einschlägigen Resolutionen der Europäischen Ministerkonferenzen zum Schutz der Wälder in Europa in Straßburg (1990), Helsinki (1993), Lissabon (1998) sowie Wien (2003).

Auf nationaler Ebene sind zu nennen: Das Bundeswald-Gesetz (§ 1: Erhaltung des Waldes in seiner Vielfalt, auch in seiner biologischen Vielfalt), die Sächsische Verfassung (Art. 10), das Sächsische Waldgesetz mit seinen entsprechenden Regelungen (§§ 1, 2 und 16) sowie das Forstvermehrungsgutgesetz (FoVG), das am 01.01.2003 in Kraft getreten ist.

Letzteres fordert  im Gesetzeszweck (§ 1) ausdrücklich die Erhaltung und Verbesserung des Waldes mit seinen vielfältigen positiven Wirkungen in seiner genetischen Vielfalt durch die Bereitstellung von hochwertigem und identitätsgesichertem forstlichem Vermehrungsgut.

Der Freistaat Sachsen ist durch den SBS in der Bund-Länder-Arbeitsgruppe »Forstliche Genressourcen und Forstsaatgutrecht« (BLAG) vertreten, die die Erhaltung und nachhaltige Nutzung forstlicher Genressourcen in der Bundesrepublik Deutschland zum Ziel hat.

Verjüngung der Baumbestände

Die Verjüngung von Waldbeständen verfolgt im Rahmen einer vorbildlichen Waldbewirtschaftung grundsätzlich das Ziel, standortgemäße, stabile, artenreiche und leistungsfähige Mischwaldbestände zu begründen. Erreicht werden diese Ziele durch eine an den natürlichen Waldgesellschaften orientierte Baum- und Strauchartenwahl, die Anwendung standortangepasster und artspezifischer Verjüngungsverfahren sowie durch den ökologischen Bedürfnissen der Baum- und Straucharten angepasste Verjüngungszeiträume.

Bei der aktuellen Baumartenzusammensetzung der Wälder in Sachsen ist das o. g.  Ziel jedoch nur über einen hohen Anteil an Kunstverjüngung zur Einbringung der gewünschten Baum- und Straucharten zu verwirklichen.  Diese Maßnahmen tragen somit unmittelbar zur Erhöhung der Artenvielfalt sowie zur Ökosystemvielfalt bei.

Verjüngungsverfahren

Im Landeswald werden bei der natürlichen Waldverjüngung Aspekte, die einen Einfluss auf die genetische Vielfalt des Nachfolgebestandes haben, wie Art und Zusammensetzung des Ausgangsbestandes oder Mindestgröße/Mindeststammzahl des Ausgangsbestandes beachtet.

Angewendet werden dafür langfristige Verjüngungsverfahren wie Schirmschlag-, Femelschlag- oder Plenterverfahren sowie kombinierte Verfahren. Durch den Verzicht auf die Nutzung von Biotopbäumen/Totholz oder den Erhalt lichter Bereiche im Wald wie z. B. Waldwiesen wird die Ökosystemvielfalt zusätzlich gesichert.

Im Privat- und Körperschaftswald erfolgt die Beratung und Betreuung durch den SBS unter Beachtung landeswaldeigener Vorgaben, die durch das Sächsische Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft kontrolliert werden. Durch die Förderung der Einbringung und Verjüngung standortsgerechter Baumarten (v. a. Laubbaumarten und Weißtanne) sowie der Förderung von struktureller Vielfalt und natürlichem Arteninventar unterstützt die Staatsregierung den Waldbesitz finanziell bei der Umsetzung der Ziele.

Künstliche Verjüngung

Bei der künstlichen Verjüngung sorgt die Staatsregierung durch eine Reihe von Maßnahmen dafür, dass die Aspekte der genetischen Vielfalt durch die Versorgung der Waldbesitzer mit hochwertigem und identitätsgesichertem sowie genetisch vielfältigem Forstvermehrungsgut für alle Baumarten nachhaltig berücksichtigt werden.

Hierzu gehören: Die Zulassung einer Vielzahl geeigneter Saatguterntebestände nach den Vorschriften des FoVG in allen Waldbesitzarten über den tatsächlichen Bedarf hinaus sowie die Anlage und Zulassung von Samenplantagen für die Produktion von Saatgut für wirtschaftlich bedeutende, aber seltene Baumarten wie z. B. Bergahorn, Winterlinde oder Roterle. Durch die gesetzlich vorgeschriebenen baumartenspezifischen Mindestbestandesgrößen oder Mindeststammzahlen sowie Vorschriften über die Mindestanzahl zu beerntender Bäume wird einer genetischen Einengung des Forstvermehrungsgutes entgegen gewirkt.

Staatlich gefördert wird im Rahmen der Waldverjüngung ausschließlich die Verwendung von herkunftsgerechtem und genetisch vielfältigem Forstvermehrungsgut.

Maßnahmen zur Erhaltung der Artenvielfalt

Die Sächsische Staatsregierung leistet durch folgende Maßnahmen einen Beitrag zum Erhalt und zur Verbesserung der Artenvielfalt und der genetischen Vielfalt im Wald:

  • Die flächige In-situ-Ausweisung von Wald mit besonderer Generhaltungsfunktion in der Waldfunktionenkartierung und entsprechende Erhaltungsmaßnahmen.
  • Baumartenspezifische Ex-situ-Erhaltungsprogramme bei Baum- und Straucharten, die in ihrem Bestand gefährdet sind wie z.B. Weißtanne, Ulmenarten oder  Wildobstarten (siehe auch Infobox rechts). Das Gleiche gilt auch für regional bedeutende, aber bedrohte Vorkommen nicht gefährdeter Baumarten.

Verjüngung entsprechend der Waldfunktion

Seit 1991 wird die Waldfunktion Wald mit besonderer Generhaltungsfunktion besitzartenübergreifend nach § 6, Abs. 3 SächsWaldG dokumentiert und ist damit eindeutig erkennbar. Die Waldfunktionen sind durch Träger öffentlicher Vorhaben bei Planung und Durchführung von Vorhaben zu berücksichtigen (§ 7, SächsWaldG). Für die Landesforstverwaltung ist die Waldfunktionenkartierung ebenfalls verbindlich und bei allen den Wald berührenden Planungen und Maßnahmen zu beachten.

Dies beinhaltet z. B. eine Verlängerung der Umtriebszeit über das wirtschaftlich erforderliche Maß hinaus. Bei Nachlassen der Vitalität oder des Fruktifikationsvermögens erfolgt die Verjüngung von Wald mit besonderer Generhaltungsfunktion in der Hauptsache natürlich mit der Anwendung geeigneter Verjüngungsverfahren (z. B. Femelschlag). Ein entsprechendes Förderprogramm, das ausschließlich auf In-situ-Erhaltungsmaßnahmen abzielt, gibt es im Freistaat Sachsen noch nicht.

Untersuchungen zur Auswirkung menschlicher Einflussfaktoren

Um die Auswirkungen menschlichen Handelns auf die genetische Vielfalt von Waldbeständen zu erfassen und zu verfolgen, führt die Staatsregierung entsprechende Untersuchungen mit Hilfe geeigneter biochemisch- und molekular-genetischer Methoden durch. Im Rahmen eines durch die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung geförderten Programms werden derzeit erste orientierende Studien für die Einrichtung eines genetischen Langzeit-Monitorings durchgeführt.

Erhaltungsprogramme

Im Rahmen der baumartenspezifischen Ex-situ-Erhaltungsprogramme werden geeignete Maßnahmen zur Erhaltung Artenvielfalt sowie der genetischen Vielfalt innerhalb der Arten wie die Anlage von Ex-situ-Erhaltungsbeständen, Ex-situ-Erhaltungssamenplantagen oder Ex-situ-Genarchiven durchgeführt. Dabei fördert die Zusammenführung von isolierten Individuen einer Art zu Vermehrungspopulationen die genetische Vielfalt, stellt durch die Saatgutproduktion die Basis für die Wiedereinbringung seltener Baumarten in den Kreislauf von Waldökosystemen dar und leistet somit letztendlich einen Beitrag für die Erhaltung und Verbesserung der Artenvielfalt.

Überblick bearbeiteter Baumarten

Einen Überblick über die bearbeiteten Baumarten sowie den Umfang der bisher durchgeführten In-situ- und Ex-situ-Maßnahmen gibt Tabelle III x. Der bundesweite Sachstand sowie ein Vergleich zu den Arbeiten in anderen Bundesländern kann dem Bericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe »Forstliche Genressourcen und Forstsaatgutrecht« entnommen werden.

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