Aktuelle Borkenkäfersituation in Sachsen
Stand 11.11.2024
Borkenkäfer verursachen in den sächsischen Wäldern seit mehreren Jahren massive Schäden. Eine Entspannung der Situation ist bislang nicht absehbar. Auf dieser Seite finden Sie umfangreiche Informationen zur aktuellen und weiteren Entwicklung sowie Handlungsempfehlungen der Waldschutzexperten von Sachsenforst.
Wie auch in den vergangenen Jahren waren erneut die rindenbrütenden Borkenkäferarten Buchdrucker und Kupferstecher die prägenden Faktoren im Schadgeschehen an Fichte. Dennoch geben die in allen Eigentumsarten gleichermaßen zu verzeichnenden rückläufigen Befallsholzmengen Grund zur Hoffnung auf eine langsam einsetzende Entspannung der Situation. Mit derzeit ca. 43 Prozent der Vorjahresmenge bewegt sich der aktuelle Befallsholzanfall im Zeitvergleich (Stand per 30. September) allerdings weiterhin auf einem Niveau deutlich oberhalb der Jahre vor 2018. Gründe für den Befallsrückgang sind neben einem regional nahezu vollständigen Ausfall der Fichte in den bisherigen Hauptschadgebieten im sächsischen Hügelland und weiten Teilen Ostsachsens auch in den günstigen Niederschlagsverhältnissen im hydrologischen Jahr 2023/2024 zu suchen. Diese führten offensichtlich zu einer Verbesserung der Widerstandskraft der Baumart. Trotz günstiger Temperaturen für die Käferentwicklung verstetigte sich der bereits in den Vorjahren begonnene rückläufige Trend. Einen sehr positiven Einfluss auf diese noch näher zu analysierende Entwicklung haben die unermüdlichen Anstrengungen der Waldbesitzenden allen Waldeigentumsarten bei der Bekämpfung der mittlerweile seit sieben Jahren andauernden Borkenkäferkalamität.
Ergebnisse des Borkenkäfermonitorings:
Das sächsische Borkenkäfermonitoring zeigte auch für das Jahr 2024 wieder sehr hohe Populationsdichten. Insgesamt bewegten sich die registrierten Fangzahlen überwiegend auf dem Niveau des Vorjahres, mit im Verlauf des Jahres sinkender Tendenz im Vergleich zu 2023 (Abbildung 1). Eine Ausnahme bildeten wie schon im letzten Jahr allerdings das Vogtland und das Westerzgebirge, wo einzelne Standorte mit höheren Fangzahlen auffällig waren. Außerdem wiesen auch im mittleren- und im Osterzgebirge einige Standorte höhere Werte als im Vorjahr auf. Im Oberlausitzer Bergland sowie im Elbsandsteingebiet hingegen korrespondierten rückläufige Fallenfänge mit dem flächigen Befallsrückgang. Unbenommen von den zuvor getroffenen Aussagen hatten fast vierzig Prozent aller Monitoringstandorte erneut die kritische Schwelle von 30.000 Buchdruckern je Dreifallenstern und Jahr bis zum Ende der diesjährigen Schwärmsaison überschritten. In den Kalenderwochen 24 bis 26 wurde im Zuge des Ausflugs der ersten Käfergeneration das diesjährige Aktivitätsmaximum registriert. Erneut fünfstelligen Wochenfangzahlen zeigten in diesem Zusammenhang die weiterhin vorhandenen hohen Populationsdichten des Buchdruckers in den sächsischen Fichtenwäldern an.
Nach einem besorgniserregend zeitigen Start des Käferfluges 2024 Anfang April, welcher Erinnerungen an das Jahr 2018 weckte, kam die Schwärmaktivität dann allerdings bereits Mitte September weitestgehend zum Erliegen. Auch gingen die Fangzahlen ab Mitte des Jahres spürbar zurück.
In der Abbildung 2 sind die kumulativen Jahresfänge aller Standorte seit 1991 dargestellt. Diese Abbildung zeigt einen tendenziellen Rückgang der Käferaktivitätsdichten in diesem Schwärmjahr.
Trotz dieses frühen Saisonendes hat es der Buchdrucker auf der überwiegenden Fläche der sächsischen Fichtengebiete geschafft eine 3. Generation anzulegen. Diese wird auch als Jungkäfer überwintern und damit eine deutlich geringere Mortalität als die sogenannten „weißen“ Larvenstadien aufweisen.
Mit regional teils extrem erhöhten Fangzahlen im Vergleich zu den Vorjahren war in diesem Jahr der Kupferstecher auffällig. Über mehrere Wochen anhaltende sechsstellige Fangzahlen waren insbesondere in Westsachsen festzustellen. Wobei auch hier das Vogtland und Teile des Westerzgebirges den Schwerpunkt bildeten und die Vorjahreswerte vereinzelt um ein Vielfaches überschritten wurden.
Befallsentwicklung bis zum Frühjahr 2024:
Die Entwicklung des Befallsholzanfalls verlief regional zwar unterschiedlich, ist im Gegensatz zur Schwärmaktivität aber seit mehreren Jahren klar rückläufig. In den bisherigen Hauptschadgebieten in Ostsachsen, im sächsischen Hügelland und im Elbsandsteingebiet, einschließlich dem Nationalpark Sächsische Schweiz, gingen die Befallsholzmengen deutlich zurück. In Südwestsachsen allerdings lagen die im Borkenkäferjahr 2023/24 erfassten Mengen (siehe Abb. 3) analog zu den Fallenfangergebnissen regional erheblich über den Vorjahreswerten. Eine besonders starke Zunahme war vor allem im Vogtlandkreis zu beobachten. Es ist zudem zu erwähnen, dass die Intensität des Befallsgeschehens für diese Regionen zwar durchaus besorgniserregend war und zum Teil auch noch ist, dennoch deutlich schwächer verlief als es bspw. in den letzten Jahren im ostsächsischen Raum der Fall war. Entsprechend „positiv“ stellt sich die Bilanz somit für ganz Sachsen dar.
Insgesamt beläuft sich die in den letzten Jahren in den sächsischen Wäldern allein durch den Buchdrucker verursachte Befallsholzmenge mittlerweile auf über 7 Mio. m³. Davon entfielen immerhin noch 0,85 Mio. m³ auf das Borkenkäferjahr 2022/2023 und zum Ende des zurückliegenden BK-Jahrs 2023/2024 wurden 373.000 m³ registriert. Dies entspricht weniger als der Hälfte der Vorjahresmenge.
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Schwärmverlauf in der Saison 2023:
Die Ergebnisse des sächsischen Borkenkäfermonitorings im Jahr 2023 untermauern diese Einschätzung. Gerade im Hinblick auf die Aktivitätsdichten des Buchdruckers, zeigte sich ein ähnliches Bild der Käferaktivität wie 2022 (siehe Abbildung 1). Insgesamt war das Aktivitätsniveau erneut sehr hoch und äußert sich in kumulativen Fangzahlen, die auf fast drei Viertel aller Standorte deutlich über der kritischen Jahresmarke von 30.000 Buchdruckern je Dreifallenstern lagen. Auch waren Vogtland und Westerzgebirge sowie Teile des Oberlausitzer Berglandes mit hohen Käferzahlen auffällig. Gegenüber 2022 kam es bei einer Vielzahl von Monitoringstandorten zu einer erneuten Steigerung oder konnte zumindest eine ähnliche Entwicklung festgestellt werden. Generell war eine Zunahme der Fangzahlen in den mittleren und höheren Lagen der Mittelgebirge erkennbar. Des Weiteren sind das Zittauer Gebirge und der vordere Teil des Nationalparkes zu nennen. Regionen mit Rückgängen in der Schwärmaktivität, wie der mittelsächsische Raum, blieben auch 2023 in der Minderheit. Infolge der hohen Temperaturen im Spätsommer bis in die mittleren Lagen hinein, war von der vollständigen Entwicklung einer 3. Generation, in den höheren Berg- und Kammlagen der Geschwisterbrut der 2. Generation auszugehen. In Verbindung mit den auffälligen Fangzahlanstiegen zu diesem Zeitpunkt, die gerade im Westerzgebirge und dort bis in die Kammlagen hinein, festzustellen waren, führte dies zu einer hohen Zahl an überwinternder Käfern.
Befallsholzentwicklung:
Auch bei der Entwicklung des Befallsholzanfalls ist der Trend regional unterschiedlich, im Gegensatz zur Schwärmaktivität aber insgesamt klar rückläufig. In den bisherigen Hauptschadgebieten in Ostsachsen, im sächsischen Hügelland und im Elbsandsteingebirge, einschließlich dem Nationalpark Sächsische Schweiz, gehen die Befallsholzmengen tatsächlich deutlich zurück. Im Erzgebirgsraum allerdings liegen die bis zum Jahresende erfassten Mengen (siehe Abb. 3) analog zu den Fallenfangergebnissen teils erheblich über den zum selben Zeitpunkt registrierten Vorjahreswerten. Eine besonders starke Zunahme ist vor allem im Westerzgebirge und im Vogtland zu beobachten (siehe Karte). Es ist zudem zu erwähnen, dass die Intensität des Befallsgeschehens für diese Regionen zwar durchaus besorgniserregend ist, dennoch deutlich schwächer verlief als es bspw. in den letzten Jahren im ostsächsischen Raum der Fall war. Entsprechend „positiv“ stellt sich die Bilanz somit für ganz Sachsen dar.
Die überdurchschnittlichen Niederschläge während der Wintermonate haben zum Winterausgang zu einer weitestgehenden Entspannung der Wasserhaushaltssituation in den sächsischen Wäldern geführt. Daraus resultierte zum Start der diesjährigen Käfersaison eine höhere Abwehrkraft der Fichten gegenüber einem Befall durch rindenbrütende Borkenkäfer. In März und April 2024, fielen anschließend jedoch weniger Niederschläge als für diese Zeiträume üblich. In Verbindung mit hohen Sommertemperaturen und der daraus resultierenden verstärkten Verdunstung von Boden und Vegetation war die Wasserverfügbarkeit für die Waldbestände in den folgenden Monaten somit nicht immer optimal. Dieser Zustand wird zwar in erheblichem Maße durch standörtliche Gegebenheiten modifiziert, wirkt sich aber in aller Regel negativ auf den Wirtsbaum Fichte aus. Ein signifikanter Temperaturabfall Mitte April, tlw. verbunden mit verbreiteten Nachtfrösten entschärfte die Situation nur bedingt. Von Vorteil für die Waldgesundheit war hingegen das Fehlen der für die Befallsdynamik wichtigen längeren warm/ trockenen Phasen bis Mitte Juni (vgl. Abb. 4). Rückblickend muss der Einfluss der Witterung auf die Waldschutzsituation für das Jahr 2024 somit differenziert betrachtet werden.
Einen Überblick über die aktuelle Bodenwasserhaushaltssituation in Deutschland ermöglicht der Bodenfeuchteviewer des DWD. Mittlerweile ist es sogar möglich, sich in einer Betaversion über das Menü „Bewuchs“ gezielt die Situation unter Fichte abzurufen: https://www.dwd.de/DE/fachnutzer/landwirtschaft/appl/bf_view/_node.html;jsessionid=8F6B58001C48669A838C38A52BF931DE.live21062
Für Sachsen kann zudem auf die Bodenfeuchteampel (Prototyp!) zurückgegriffen werden:
Herbst 2024:
Die Käfer haben ihre Schwärmaktivität eingestellt und sich in den Boden oder Überwinterungsbäume zurückgezogen bzw. verbleiben in ihren Brutbäumen. Frischer Stehendbefall tritt zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr auf. Die Käferdichten sind allerdings weiter erhöht und es ist davon auszugehen, dass sich Teile der Population noch unentdeckt in den Beständen befinden und dort überwintern. Der Großteil der am Ende der Saison besiedelten Bäume wird erst in den Wintermonaten sichtbar.
Eine endgültige Bewertung des Borkenkäferjahrs ist verlässlich erst an dessen Ende im nächsten Frühjahr möglich, erfahrungsgemäß ist aber nicht davon auszugehen, dass es noch zu einer grundlegenden Trendänderung kommt.
Als Fazit bleibt festzuhalten, dass die Befallsmengen weiter stark rückläufig sind, auch wenn an regionalen Schwerpunkten der Trend zum Teil schwächer ausgeprägt ist. Basierend auf einer erfahrungsbasierten Schätzung wird gegenwärtig ein Befallsholzanfall durch Buchdrucker von ca. 250.000 fm für das BK-Jahr 2024/25 (bis Ende Mai 2025) erwartet. Gerade im Vogtland und im Westerzgebirge muss der weitere Verlauf intensiv beobachtet und entsprechend auf etwaige Entwicklungen reagiert werden. Der Buchdrucker bleibt weiterhin der bestimmende Schadfaktor an der Fichte und wird vermutlich erst in einigen Jahren auf ein Latenzniveau zurückfallen. Zudem sollte dem Kupferstecher auf Grund der beobachteten Aktivitätsentwicklung mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden.
Dennoch bestimmen weiterhin die Witterungsbedingungen als wesentliche Einflussgröße maßgeblich den weiteren Verlauf der Kalamität. In Verbindung mit den noch immer in den sächsischen Wäldern vorhandenen erheblichen Risikovorräten ist weiterhin Vorsicht geboten.
Die diesjährige Schwärmsaison ist beendet und die Käfer bereiten sich auf die Überwinterung vor. Grundsätzlich besteht in dieser Jahreszeit somit kein akuter Handlungsbedarf hinsichtlich der Sanierung von noch in den Beständen vorhandenem Stehendbefall. Allerdings gilt es zwei Aspekte zu beachten.
1. Das Entwicklungsstadium der letzten Bruten: Es ist davon auszugehen, dass der überwiegende Teil der letzten angelegten Generation sich fertig entwickeln konnte und im Jungkäferstadium überwintert.
2. Die Witterung: Temperatur über 8°C haben eine fortgesetzte Entwicklung der Bruten/ Käfer unter der Rinde zur Folge, die ihre Chancen für eine erfolgreiche Überwinterung erhöhen.
Beide Punkte führen zu einem erhöhten Risiko in den Beständen, wenn die Sanierung bis ins nächste Frühjahr aufgeschoben werden sollte. Insbesondere die Jungkäfer setzen unter der Rinde ihren Reifungsfraß fort und erhöhen damit die Wahrscheinlichkeit, dass die Rinde vorzeitig abfällt. In Verbindung mit der gegenüber den Larvenstadien generell höheren Mobilität sowie der geringeren Mortalität führt dies zu einem potenziellen Abwandern eines erheblichen Anteils an Käfern in die Bodenstreu und in dessen Folge zu einer deutlichen Verringerung des Sanierungseffektes.
Es wird deshalb empfohlen, bereits erkannten Stehendbefall noch in diesem Jahr zu sanieren und gleichzeitig in deren Umfeld nach möglichen Überwinterungsbäumen Ausschau zu halten. Diese sind allerdings schwierig zu erkennen und erfordern eine gewisse Erfahrung, da sich jeweils größere Käferzahlen auf kleinem Raum konzentrieren (meist nur ein Einbohrloch!) und durch deren verminderte Aktivität kaum andere Befallszeichen erkennbar sind.
Regionalisierte Modellierung der Buchdruckerentwicklung mit Phenips plus:
Eine Hilfestellung bei Suche von Befall in Herbst und Winter kann das für Sachsen zur Verfügung stehende Buchdruckerentwicklungsmodell Phenips plus sein (Abbildung 5). Zwar findet in diesem Zeitraum keine nennenswerte Entwicklung mehr statt, allerdings gibt der bis Ende Oktober erreichte Stand dennoch Aufschluss über die aktuelle Situation vor Ort. Am Beispiel dargestellt ist der Entwicklungsstand der diesjährig letzten und damit 3. Generation. Da deren Entwicklung im Hügelland abgeschlossen ist und in den Mittelgebirgslagen überwiegend Jungkäfer vorzufinden sind, ist von einer hohen Überlebenswahrscheinlichkeit im Winter und einem entsprechenden Risikopotenzial im nächsten Frühjahr auszugehen. Wie bereits erwähnt, bedeutet dies im Umkehrschluss, dass in den rot eingefärbten Regionen eine erfolgreiche Sanierung von bisher noch unentdecktem Stehendbefall im Winter maßgeblich zu einer Verringerung dieser Gefährdung betragen kann.
Zu finden ist das Modell unter folgendem Link:
Auf Grund der bevorstehenden Diapause der Holz- und Rindenbrüter ist eine Prognose zum jetzigen Zeitpunkt wenig zielführend. Grundsätzlich bleibt aber zu hoffen, dass sich über den Winter die Bodenwasservorräte weiter stabilisieren, die Witterungsbedingungen zu einer höheren Sterblichkeit, insbesondere der überwinternden Käfer, beitragen und größerer abiotische Schadereignisse, welche die Situation wieder zusätzlich verschärfen, ausbleiben.