Rückblick auf 2022
Der Befall durch holz- und rindenbrütende Käfer 2022/23 - Jahreszusammenfassung
Die aktuelle Waldschutzsituation wird immer noch maßgeblich von der 2018 begonnenen und bis heute anhaltenden Massenvermehrung rinden- und holzbrütender Borkenkäfer, insbesondere des Buchdruckers, bestimmt. Die vorrübergehende Regenerationsphase der Waldbestände durch den durchschnittlichen bis feuchten Witterungsverlauf in 2021 war nur von kurzer Dauer und 2022 kam es infolge der erneut trocken/warmen Witterungsbedingungen wieder zu einer deutlichen Verschlechterung des Waldzustands, insbesondere bei der Fichte. Trotz der mittlerweile das zweite Jahr in Folge zu verzeichnenden rückläufigen Schadholz-mengen kann nicht von einer grundsätzlichen Trendwende gesprochen werden. Ein Teil der Befallsrückgänge ist darauf zurückzuführen, dass große Bereiche des Hügellandes mittlerweile weitestgehend fichtenfrei sind und dem Käfer somit der erforderliche Brutraum fehlt. In den noch vorhandenen Fichtengebieten ist weiterhin eine sehr hohe Käferdichte vorhanden. Die Schäden an Kiefer sowie auch an den Laubbaumarten sind ebenfalls nach wie vor problematisch, wenngleich sich die Dynamik hier weiter deutlich abgeschwächt hat. Tlw. sind bei einzelnen Arten aber wieder Anstiege zu verzeichnen, deren Verstetigung u. a. vom weiteren Witterungsverlauf abhängig sein wird.
Witterungsverlauf
Die für den Waldzustand günstigen Witterungsbedingungen im Jahr 2021 setzten sich 2022 nicht fort. Die bereits überdurchschnittlich warmen Wintermonate wurden noch von im Wesentlichen durchschnittlichen und im Februar sogar überdurchschnittlichen Niederschlägen begleitet, so dass die Situation zumindest zu Beginn der Vegetationsperiode recht günstig war. Das Frühjahr war dann aber durch anhaltende Trockenheit geprägt, die sich über die Sommermonate fortsetzte. Da sich die Bodenwasservorräte auch 2021 nicht wieder vollständig aufgefüllt hatten, entstand eine ausgeprägte Dürresituation, wie sie bereits in den Jahren 2018 und 2019 aufgetreten war. Die zeitliche Aufeinanderfolge von Trockenperioden führte dazu, dass die Bodenwasservorräte, besonders in den tieferen Bodenschichten, kontinuierlich weiter abnahmen. Diese ökophysiologisch kritische Situation führte zum vorzeitigen Laubfall sowie zum trockenheitsbedingten Absterben von Bäumen und Ausfällen nach Pflanzung oder Saat. Erst durch ergiebige Niederschläge in der 3. Augustdekade wurde diese Situation in vielen Landesteilen oberflächlich aufgelöst.
Das Thermopluviogramm in Abbildung 1 zeigt die mittlere Abweichungen von Temperatur und Niederschlag für den Zeitraum April-August. Die beschriebenen Unterschiede und auch Ähnlichkeiten zu den Vorjahren werden damit sehr deutlich.
Im Februar 2022 traten mehrere Sturmereignisse (Orkantiefs „Ylenia“ und „Zeynep“) auf. Diese führten in allen Landesteilen zu Schäden, wobei das Erzgebirge und das Vogtland etwas stärker betroffene Regionen waren. Vorwiegend entstanden Einzel- und Nesterbrüche bzw. -würfe. Großflächige Schäden waren nicht zu verzeichnen. Insgesamt fiel dabei Wurf- und Bruchholz in einer Größenordnung von ca. 320.000 m³ an. Im Winterhalbjahr 2022/23 war der Wurf- und Bruchholzanfall gering, meist am Rand von Schadflächen lokalisiert. Im Zusammenhang mit der bis zum Frühjahrsbeginn relativ feuchten Winterung ist das Angebot an leicht besiedelbaren Bruthabitaten für die im Frühjahr ausschwärmenden überwinternden Borkenkäfer geringer als in den Vorjahren.
Holz- und rindenbrütende Käfer an Fichte
Auch wenn die Befallsmengen beginnend mit dem Jahr 2020 rückläufig sind, wurden im klimatisch für die Entwicklung des Buchdruckers eher ungünstigen Borkenkäferjahr 2021/2022 noch immer mehr als 1,3 Millionen m³ Stehendbefall registriert. Trotz der im Folgejahr wieder deutlich wärmer und trockener ausgeprägten Witterungsbedingungen, von Mai bis Mitte August fielen faktisch keine nennenswerten Regenmengen, und der damit verbundenen Verschlechterung der Vitalität der Fichten, blieb eine grundsätzliche Trendumkehr aus. Die bis Ende Dezember 2022 registrierten Befallsholzmengen belaufen sich im Gesamtwald auf aktuell 705.000 m³ und umfassen damit nur 58% des Vorjahreswertes zum gleichen Zeitpunkt (Abbildung 2). In welchen Maße das im Frühjahr noch vorhandene Wurf- und Bruchholz Einfluss auf die Abschwächung der Befallsdynamik hatte, indem die besonders gefährliche erste Generation des Buchdruckers regional signifikant in diesem Holz gebunden wurde, war vor allem von dessen rechtzeitiger Sanierung abhängig.
Bei der nach Eigentumsarten differenziert betrachteten Entwicklung, ist festzustellen, dass 2022 im Privat- und Körperschaftswald bisher doppelt so viel Befallsholz registriert wurde wie im Staatswald. 2021 war es noch fast das Dreifache. Die Verhältnisse nähern sich offensichtlich an, da bei relativer Betrachtung der Befall 2022 im Nichtstaatswald deutlicher (52% des Vorjahres) abnahm, als im Staatswald (73%). Im Hinblick auf die absoluten Befallsholzmengen wird das Schadgeschehen wie in den zurückliegenden Jahren dennoch durch die Situation in den von Privat- und Körperschaftswald geprägten ostsächsischen Fichtengebieten bestimmt und die dort registrierten Rückgänge sind hauptsächlich auf den fast vollständigen Ausfall der Fichte zurückzuführen.
Bedingt durch höhere Temperaturen im April begann der Hauptschwärmflug der überwinterten Buchdrucker eine Woche früher als 2021. Das deutete bereits zu Beginn der Befallssaison auf die Möglichkeit der Anlage einer 3. Generation hin. Zudem führten die plötzlich starken Temperaturanstiege in den Gebirgslagen zu einem sehr konzentrierten Schwärmflug der überwinterten Generation, an den sich der Befallsbeginn unmittelbar anschloss, ohne die sonst übliche Verzögerung von 1 bis 2 Wochen.
Diese Entwicklung spiegelte sich auch in den Ergebnissen des Borkenkäfermonitorings wider, dass bis Ende Juni auf einem Großteil der Standorte kumulative Fangzahlen registrierte, die 20 Prozent und mehr über denen des Vorjahres lagen. Erst ab Mitte des Jahres fielen die Fangzahlen mit Ausnahme einiger Schwerpunktregionen wie dem Westerzgebirge und dem ostsächsischen Raum hinter die Werte aus 2021 zurück, wenngleich die absoluten Fangzahlen mehrere Wochen in Folge flächendeckend und weitestgehend von Höhenstufen unabhängig oberhalb des Schwellenwertes von 3.000 Buchdruckern pro Falle und Woche lagen (Abbildung 3).
Die Witterungsverhältnisse während der Schwärmperiode führten dazu, dass im August bis in ca. 600 m ü. NN und somit bis in die mittleren Lagen des Erzgebirges, eine dritte Generation angelegt wurde. Im Vorjahr war das nur bis in Höhenlagen um 300 m ü. NN der Fall. Zudem deutet sich im Westerzgebirge und Vogtland die Ausbildung eines neuen Schadens-schwerpunktes an. Dies zeigt sich anhand der in diesen Regionen im letzten Jahr bis in die höheren Lagen registrierten deutlich erhöhten Schwärmaktivität.
Auf Grund der bisherigen Informationen aus Waldschutzmeldewesen und Borkenkäfer-monitoring muss davon ausgegangen werden, dass der Buchdrucker auch 2023 der bestimmende biotische Schadfaktor an der Baumart Fichte sein wird. Sollte die 2022 angelegte 3. Generation auch im Mittelgebirge erfolgreich überwintert haben und im Frühjahr auf günstige Schwärmbedingungen treffen, ist eine Verlagerung bzw. Ausweitung der Befalls-schwerpunkte in diese Regionen zu erwarten. Auch wenn die Befallsholzmengen für das Borkenkäferjahr 2022 deutlich geringer als in den Vorjahren sind, so bewegen sie sich doch noch immer auf einem Niveau, dass vor 2018 in Sachsen noch nicht eingetreten war. Die Populationsdichten sind demzufolge weiterhin sehr hoch. Falls mehrere, die Entwicklung des Buchdruckers begünstigende Faktoren räumlich und zeitlich zusammentreffen, kann sich schnell erneut eine schwer kontrollierbare Dynamik mit entsprechendem Schadpotenzial entwickeln.
Die für den Kupferstecher per 31.12.2022 registrierte Befallsmenge in Fichtenbeständen erreichte 2018 einen Rekordwert von fast 30 Tm³, ging dann in den Folgejahren deutlich und stetig zurück und erreichte 2021 mit etwa 1.500 m³ und 2022 mit rund 1.700 m³ wieder das durchschnittliche Niveau der Jahre bis 2017.
Die Befallsholzmenge durch den Nadelnutzholzborkenkäfer stieg 2022 mit 12.000 m³ nach dem langjährigen Minimum in 2021 zwar an, befindet sich aber noch immer auf einem niedrigen Niveau.
Holz- und rindenbrütende Käfer an Kiefer
Infolge der extremen Witterungsverläufe der zurückliegenden Jahre stiegen die Befallsholzmengen durch den Sechs- und Zwölfzähnigen Kiefernborkenkäfer, den Großen und den Kleinen Waldgärtner, den Blauen Kiefernprachtkäfer (siehe Abbildung 4) sowie durch weitere holz- und rindenbrütende Arten deutlich an. Die Befallsentwicklung weist jedoch nicht dieselbe Dynamik und Intensität auf, wie in fichtendominierten Wäldern durch Buchdrucker.
Nachdem die genannten Arten per 31.12.2020 mit mehr als 300.000 m³ ein deutliches Befallsmaximum in der langjährigen Statistik erreichten, halbierte sich die Menge 2021 und ging 2022 nochmals fast um zwei Drittel des Vorjahreswertes zurück. Die in der Abbildung 6 dargestellten Schadmengenanteile durch die relevanten Arten bilden nur zum Teil die realen Dominanzverhältnisse ab, sondern dokumentieren vorrangig deren Erkennbarkeit. In der Regel kommt es nach einer Vorschädigung der Bäume nachfolgend zu einem oft kombiniert auftretenden Befall, wobei die einzelnen Arten bestimmte Baumabschnitte als Bruthabitat präferieren und der jeweilige Erstbesiedler nur fallweise mit großem Aufwand bestimmt werden kann. Für die weitere Entwicklung wird aufgrund der letztjährigen Trockenheit mit einer erneuten Befallszunahme gerechnet. Dies deutet sich für den Blauen Kiefernprachtkäfer durch einen relativ geringen Rückgang der Schadmengen von 2021 zu 2022 und mancherorts durch auffälligen verstreuten Befall durch diese Art an. Die weitere Schadentwicklung hängt stark vom künftigen Witterungsverlauf und dem Sanierungsfortschritt ab. Weiterhin war im Gebiet der Oberlausitz an einzelnen Stellen eine stärkere Beteiligung des eigentlich als selten eingestuften Langhalsigen Kiefernborkenkäfers (Orthotomicus longicollis) interessant. Weitere Vertreter der Gattung wurden auch in anderen Landesteilen vereinzelt am Schadgeschehen beteiligt.
Holz- und rindenbrütende Käfer an anderen Baumarten
Der Große Lärchenborkenkäfer, dessen Befall in den Jahren 2018 sowie 2019 erheblich angestiegen war und 2020 bereits deutlich zurückging, hat seit 2021 wieder ein latentes Niveau erreicht. Für den Zeitraum 01.06. bis 31.12.22 wurden weniger als 1.500 m³ Befallsholz (2019 waren es in demselben Zeitraum fast 50 Tm³) gemeldet. Diese Entwicklung spiegelt regional im hohen Maße auch die begrenzte Verfügbarkeit von geeignetem Brutraum wider.
Im Jahr 2022 wurden vereinzelt ältere durch Hallimasch- oder Borkenkäferbefall (Furchenflügeliger Fichtenborkenkäfer (Pityophthorus pityographus; Abbildung 6) absterbende Tannen gemeldet.
Der Wassermangel der letzten Jahre überstieg bei einzelnen Laubbäumen den Toleranzrahmen und führte dazu, dass die dadurch verursachten Vitalitätseinbußen nicht mehr kompensiert werden konnten. An derart vorgeschädigten Eichen war bereits ab 2018 verstärkt Befall durch Eichensplintkäfer und/oder Eichenprachtkäfer festzustellen. Ab Spätsommer 2020 wurden zusätzlich besonders in Nordwestsachsen anhand des z.T. in Massen an den Stammanläufen befindlichen hellen Bohrmehls an noch grün belaubten Eichen insbesondere der Kleine schwarze Nutzholzborkenkäfer und der Eichenkernkäfer auffällig. Auch diese sekundären Käferarten profitieren von der bisherigen Witterung. Einem Schädlingsbefall noch gesunder, aber vorgeschwächter Eichen, kann nur durch forstsanitäre Maßnahmen an befallenen Bäumen zur Reduzierung der Populationsdichten entgegengewirkt werden. Durch die Witterung 2021 wurde die vorher zunehmende Schwächung der Bäume etwas abgemildert, 2022 verschärfte sich die Situation aber wieder. Dies zeigte sich z.B. anhand von lokal auffälligem Schleimfluss.
Wie schon in den Vorjahren zeigten sich 2022 lokal verstärkt Buchenbestände mit einem nennenswerten Anteil absterbender Einzelbäume. Ähnlich wie bei den Eichen konnten die an diesen Bäumen auftretenden Sekundärschädlinge, insbesondere der Kleine Buchenborkenkäfer und der Buchenprachtkäfer (Abbildung 7), von den für sie günstigen Entwicklungsbedingungen und der verringerten Vitalität der Wirtsbäume profitieren.
Das vom Eschentriebsterben im Freistaat Sachsen verursachte Schadniveau ist zurzeit eher gering - die gemeldeten Schäden gingen in den letzten Jahren stetig zurück. Im Gegensatz dazu nahmen die Befallsholzmengen durch Eschenbastkäfer (Großer schwarzer und Kleiner bunter Eschenbastkäfer; Abbildung 8), befördert durch die geschwächte Abwehrkraft der Bäume und schnellere Entwicklungsgänge der Käfer in den Dürrejahren 2018 bis 2020 stetig zu. Nach einer deutlichen Abnahme im Jahr 2021 wurde 2022 fast schon das hohe Niveau von 2019 erreicht. Im kommenden Jahr wird aufgrund der letztjährigen Witterung mit einer weiteren Zunahme gerechnet.